04.10.2023
Stiftung Lebenswertes Liechtenstein
ENERGIE & RESSOURCEN
Die Gebr. Hilti AG blickt auf eine fast 150 Jahre lange Firmengeschichte zurück. Für die Gegenwart und Zukunft setzt das Familienunternehmen aus Liechtenstein verstärkt auf Zirkularität. Das beweist man aktuell beim Neubau des Firmenareals mit drei Gebäuden, bei denen sämtliche Betonbauteile in einer Gesamtmenge von rund 8000 m3 aus Recycling-Beton bestehen werden. Recycling-Beton, der aus eigener Produktion und aus Bauabfällen der unmittelbaren Region stammt.
1) Was macht den Neubau Ihres Firmenareals in Schaan zirkulär?
Wir wollen in erster Linie zeigen, was alles mit Recycling-Beton möglich ist. Dabei geht es auch darum, das dafür benötigte Rohmaterial aus Rückbauten oder sonstigen Bauabfällen auf kürzesten Wegen zu bekommen und den RC-Beton in der unmittelbaren Region zu produzieren und letztlich auch hier wiederzuverwenden.
a) Inwiefern ist Ihr Design-Konzept zirkulär?
Zirkularität spielt sich in unserem Unternehmen primär beim RC-Beton und dessen Produktion und Einsatz ab. Daneben haben wir beim Neubau natürlich auch andere Aspekte berücksichtigt. So werden wir etwa die grossen Platz- und Dachflächen nicht nur für PV-Anlagen nutzen, sondern auch das anfallende Oberflächenwasser sammeln, dieses in einer Reinigungsanlage filtern, reinigen und aufbereiten, um es danach in der betriebsinternen Waschanlage zu verwenden. So können wir auf den Einsatz von Frischwasser verzichten. Zudem arbeiten wir von der Planung bis hin zur Ausführung mit regionalen Partnern und Lieferanten zusammen.
b) Was ist der Impact auf das Ökosystem?
Durch die Verwendung von RC-Beton schonen wir in erster Linie Ressourcen. Da spreche ich von Primärmaterial wie Schotter, Kies oder Sand, das normalerweise bei der Betonproduktion zum Einsatz kommt. Wir ersetzen beim RC-Beton bis zu 50% dieses Primärmaterials durch Betongranulat, das wir wiederum aus Bauabfällen gewinnen, die normalerweise auf Deponien landen.
c) Inwiefern ist der Faktor Zeit mitgedacht?
Beton ist ein sehr beständiger Baustoff. Und gleichgültig wie lange die Nutzungsdauer der neuen Gebäude auch sein wird, irgendwann werden auch diese wieder rückgebaut und der verwendete RC-Beton kann dann erneut zu Beton recycelt werden – und zwar ohne Qualitätsverlust. Unser Ansatz sind also beständige, möglichst lang nutzbare Bauten, deren Substanz wieder zu hochwertigen Baustoffen recycelt und wiederverwendet werden kann, ohne zukünftige Generationen zu belasten.
2) Wie unterstützt Ihr Projekt die Baubranche darin, den systematischen Wandel hin zur Zirkularität zu erreichen?
Mit diesem Bauprojekt wollen wir beweisen, dass RC-Beton in jeder Hinsicht – von der ersten Bodenplatte bis zur letzten Decke – genauso gut ist wie konventioneller Beton. Wir wollen so dazu beitragen, dass ein Umdenken in der Baubranche einsetzt.
3) Was waren bis jetzt die Hauptherausforderungen und das Haupt-Learning?
Von der Planung, den Abläufen oder dem Einsatz von RC-Beton gibt es keine Unterschiede zu konventionellem Beton. Da braucht es für das Fachpersonal keine Umstellungen oder spezielle Schulungen. Die Herausforderungen bestanden eher darin, gewisse Vorurteile gegenüber RC-Beton zu entkräften und für die nötige Akzeptanz zu sorgen. Gerade für die verantwortlichen Bauingenieure geht es immer darum, dass sämtliche vorgeschriebenen Normen und Werte exakt eingehalten werden und das ist auch verständlich und wichtig so. RC-Beton kann allerdings überall dort eingesetzt werden, wo normalerweise konventioneller Beton verwendet wird, mit Ausnahme von Spezialbauteilen wie etwa Brücken oder Spanndecken. Das gilt es noch in das Bewusstsein und in die Köpfe aller zu bekommen.
4) Wie messen Sie Ihren Impact?
Konkrete Zahlen und Daten werden wir wohl erst nach der Fertigstellung liefern können, wenn man etwa durch die tatsächlich verwendeten Mengen an RC-Beton auf gesparte Ressourcen hochrechnen kann oder welche Mengen an Frischwasser wir durch die Sammlung des Oberflächenwassers einsparen können. Zudem werden auf allen Betriebsgebäuden PV-Anlagen montiert, die Strom sowohl für den Eigengebrauch als auch für das öffentliche Stromnetz liefern werden.
Unser nächster Schritt wird sein, eine zusätzliche CO2-Reduktion durch Einspeisung und Bindung in das Betongranulat des RC-Betons zu erreichen. Entsprechende Tests laufen bereits seit 2021 und wir arbeiten diesbezüglich aktuell mit einem Schweizer Start-up zusammen. Was wir schon jetzt sagen können: Mit jedem Kubikmeter RC-Beton könnte man bis zu 16 kg CO2 dauerhaft binden und damit die Umwelt zusätzlich entlasten. Mögliche CO2-Lieferanten wären dafür etwa Biogas-Anlagen, die es aber derzeit leider noch nicht in unmittelbarer Region gibt. Wünschenswert wäre es.
„Wir wollen in erster Linie anhand von diesem Projekt zeigen, was alles mit Recycling-Beton möglich ist.“
Philipp Baumgartner, Gebr. Hilti AG
Zur Person
Philipp Baumgartner (*1975) absolvierte eine Tiefbauzeichner-Lehre und schloss danach ein Bauingenieur-Studium an der HSR Rapperswil (heute OST) sowie ein Nachdiplomstudium an der Fachhochschule (heute Universität) in Liechtenstein ab. Von 2000 bis 2008 war er als Bauingenieur in Liechtenstein tätig, ehe er 2009 zur Gebrüder Hilti AG wechselte. Dort leitete Philipp Baumgartner zunächst die Abteilung Tiefbau, wechselte 2016 in die Geschäftsleitung und ist seit 2018 Geschäftsführer.
Seit 2023 zählt Philipp Baumgartner als ausgewiesener Bauexperte zur Kerngruppe von ZirkuLIE und bringt sich dort seither mit seinem Fachwissen und Netzwerk ein, um zirkuläres Denken und Handeln im Bauwesen zu fördern.